Eine Exkursion in die Führungspsychologie.
Ernest H. Shackleton war ein Antarktisforscher, Abenteurer, Expeditionsleiter und hervorragende Führungskraft aus heutiger Sicht. 1914 startete er eine große Expedition mit dem Ziel die Antarktis zu erforschen und den Südpol zu erreichen. Aufgrund verschiedener unglücklicher Zustände verlor die Mannschaft mitten im Packeis ihr Schiff. Über knapp zwei Jahre mussten sie sich im Eis am Leben erhalten bevor sie gerettet wurden. Alle überlebten.
Die gescheiterte Polarexpedition von Ernest Shackleton bietet wunderbare Parallelen zur heutigen Welt der modernen Firmen und Unternehmen. Von der Beschaffung geeigneter Arbeitskräfte, über die Arbeitseinteilung, Projektplanung bis hin zur Krisenbewältigung und Führung von Mitarbeitern in Krisensituationen zeigt die Arbeit von Shackleton was man mit einer guten Personalführung erreichen kann.
Die Beispiele reichen dabei von einfachen, eigentlich selbstverständlichen Dingen wie die Beschaffung der besten verfügbaren Arbeitsmittel bis hin zu Meisterwerken wie die Aufrechterhaltung der Moral einer gesamten Schiffsbesatzung angesichts des fast sicheren Todes im gefährlichen Packeis. Shackleton gelang mit der im Grunde misslungenen Expedition ein Meisterwerk an Führungsarbeit.
„Shackletons Führungsstil ist alten, auf Befehl und Kontrolle basierenden Führungsstrategien diametral entgegengesetzt, indem er Flexibilität, Teamarbeit und individuellen Erfolg hoch schätzt. Er misst Werten, die heute der Vergangenheit anzugehören scheinen, wie Großzügigkeit, Vornehmheit und Anstand, eine große Bedeutung bei, ohne diese Umgangsformen als allein elitären Kreisen eigen zu betrachten.“ (S. 29)
Das Sachbuch der Autorinnen Morrell und Capparell zeigt wie beeindruckend und herausragend eine Personalführung sein kann. Und wie wenig es dabei auf Fachkompetenz oder hohe Bildungsabschlüsse ankommt. Vielmehr erfährt der Leser, dass allein die Sozialkompetenz, das Gespür für Menschen und ihre Eigenschaften und den Umgang mit diesen ausschlaggebend für den Erfolg einer Führungsarbeit sein können.
Morrell und Capparell haben viele verschiedene Quellen zusammengetragen und studiert um zu verstehen welche Führungsstrategien Ernest Shackleton verfolgt hat und wie er die widrigsten Situationen gemeistert hat. Auf der Endurance-Expedition gab es keine Meuterei, kein Chaos sondern eine ehrgeizige, fröhliche Mannschaft die in jeder Situation bedingungslos gut zusammengearbeitet hat. Eine Vorstellung die heute jeden Manager reizt, die jedoch die wenigsten erleben dürfen.
Wer ein Sachbuch in Belletristik-Form erwartet wird enttäuscht sein. Auch wenn die eigentliche Geschichte der Polarexpedition mit der Endurance Grundlage für dieses Buch ist, bleibt aufgrund der nüchternen Darstellung zusammengetragener Fakten und Zitate wenig Spannung übrig. Allerdings steht auf dem Cover auch Sachbuch – und aus Sicht einer Führungskraft kann ich die Lektüre dieses Werkes nur empfehlen. Man bekommt eine andere Sicht auf das eigene Handeln welche dank der spannenden Hintergrundgeschichte lange im Gedächtnis bleibt.