Blutige Tomaten.
Was hat die italienische Mafia mit der Lebensmittelindustrie zu tun? Eine Menge! Und ihre Einflussnahme reicht weit über die Landesgrenzen hinaus. Von Tomaten über Öl und Käse gibt es kaum einen Bereich in der italienischen Lebensmittelindustrie, der nicht in irgendeiner Art und Weise durch die Mafia in Italien kontrolliert oder zumindest beeinflusst wird. Dass dieser Geschäftsbereich der Mafia einen Anteil von 25 Milliarden Euro jährlich ausmacht, ahnt kaum jemand.
Die Unsummen erwirtschaftet die Mafia über unterschiedliche Wege: am Anfang handelt es sich um Tomaten die tausende Kilometer im Land zusätzlich reisen nur um in Zwischenlagern Gebühren zu erheben bis es am Ende ganze Restaurant-Ketten im Besitz der Mafia sind, die sogar in Deutschland und Österreich nur aus ganz bestimmten Quellen einkaufen dürfen. Für die meisten Bürger ist es nicht erkennbar, wo die Mafia ihren Einfluss nimmt. Außer man kommt ihnen in die Quere.
„Ständig begegnet man Tieren, die scheinbar wild unterwegs sind. Auch Kühen. Die Geschichte der vacche sacre, der heiligen Kühe der ´Ndrangheta, fasziniert und irritiert die Italiener seit vielen Jahren. Niemand darf sie vertreiben, auch wenn sie Ackerland zertrampeln und auf privatem Grund grasen. Niemand darf Ihnen etwas antun. Ein bisschen wie in Indien, nur dass diese Kühe der Mafia gehören.“ (S. 104)
Meine Schwester hat mich auf diesen Investigativ-Report von Oliver Meiler hingewiesen. Tiefgründig recherchiert stieß der Autor auf mutige Menschen, welche ihm berichteten und solche die sich nicht mit ihm über die Mafia unterhalten wollten. Er recherchierte über weltbekannte Morde wie beispielsweise vor dem Restaurant in Duisburg im August 2007 und auch über weniger bekannte Aktivitäten wie mehrfacher Subventionsbetrug in der EU-Agrar-Förderung.
Ich fand es hoch interessant und sogar richtig spannend über diese Hintergründe zu lesen. Teilweise ist es skurril bis haarsträubend in welchen Bereichen die verschiedenen Mafia-Familien ihre Spuren hinterlassen. Einziger Kritikpunkt: die Beurteilung der Mafia-Aktivitäten war sehr subjektiv und stets negativ. Ich möchte keinesfalls die Mafia-Aktivitäten schönreden, aber es wird nur unscheinbar zwischen den Zeilen klar, dass die Mafia durchaus gesamtgesellschaftlich auch positiven Einfluss ausübt (beispielsweise durch die Sicherung wirtschaftsärmerer Gegenden). Aber evtl. ist die Einschätzung des Autors aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen mit vielen Menschen und Opfern auch einfach nur gerechtfertigt.
Das Buch kann ich auf jeden Fall allen Lesern empfehlen, die gerne über den Tellerrand hinausblicken und die sich gerne eine eigene Meinung bilden. Auch wenn einem danach der italienische Käse vielleicht nicht mehr so gut schmeckt wie vorher.
Ein Gedanke zu „Oliver Meiler – Agromafia“