Viel Theater um Nichts. Oder um Alles.
In vielen Unternehmen wird in der heutigen Zeit viel Theater gespielt. Theater im Reporting, Theater in der Organisation, Theater im Management. Und dadurch sind die Mitarbeiter häufig mit Tätigkeiten beschäftigt, die für sie in erster Linie keinen Sinn ergeben. Denn in der Zeit, in der sie einen Bericht schreiben könnten sie ja auch etwas Produktives für den Kunden tun. Doch der Bericht hat natürlich höchste Priorität. Und darum wird er auch geschrieben.
Was passiert aber nun, wenn Mitarbeiter Dinge tun, hinter denen sie keinen Sinn sehen oder die für sie oder den Kunden nicht relevant sind? Genau, sie werden unzufrieden und auf Dauer sogar krank. Und dabei sind potentiell unnötige Berichte nur ein kleines Beispiel im großen Business-Theater. Ein anderes sind Meetings: nur wenn jeder Teilnehmer im Meeting etwas beitragen kann und mit dem Meeting ein Problem gelöst werden soll haben diese eine Daseinsberechtigung. Wohlgemerkt nur wenn ein Problem adressiert wird, dessen Lösung am Ende dem Kunden einen Mehrwert bietet. Kein internes, organisatorisches oder strukturelles Problem.
„Das Problem der optimalen Organisation lösen Sie […] auf einer ganz anderen Ebene, als wir alle einmal gedacht haben: Nicht auf der Management- Ebene, auf der Planungsebene, also auf der formellen Ebene, sondern auf den Ebenen der Arbeit und der Menschen.“ (S. 137)
Lars Vollmer beschreibt in seinem „Manifest“ nicht nur worin die Probleme heutiger Unternehmen häufig liegen, sondern legt dem Leser auch Schritte der Veränderung nahe. Dabei muss ich ihm gerade bei den Problemen aus eigener Erfahrung Recht geben: es wird Theater gespielt in vielen Unternehmen. Viel zu viel Theater. Aber was mich bei den Lösungsvorschlägen des Autors besonders freut ist vor allem die Tatsache, dass er nicht „die Lösung“ für jegliches Unternehmen und jegliche Organisationsform vorschlägt. Er differenziert sehr wohl zwischen den unterschiedlichen Ansätzen und ermutigt den Leser seinen eigenen Weg zu finden und diesen auch zu gehen. Dabei wählt er einen Schreibstil der einem Lars Vollmer praktisch vor sich auf einer Bühne stehend vorführt. Manchmal etwas pathetisch, aber eigentlich immer authentisch überbringt er seine fast schon fatalistische Ansicht des notwendigen „Laissez-faire“-Stils in der Unternehmensführung.
Schwer tue ich mir ein wenig bei seinen konkreten Lösungsvorschlägen. Diese machen augenscheinlich zwar Sinn, allerdings gibt es manchmal branchenabhängig Rahmenbedingungen, welche die Lösungsvorschläge Lars Vollmers ad absurdum führen. Beispielsweise die horrende Forderung auf jegliche Art der Organisationsstruktur zu verzichten: keine Stellenbeschreibungen, kein Organigramm, kein Management-Report. Doch was mache ich, wenn ich auf eine Norm-Zertifizierung angewiesen bin, die genau diese Punkte einfordert? Dafür fehlt mir aktuell noch ein Weg. Aber vielleicht sind das dann auch einfach Punkte die auf „meinem Weg“ doch nicht verändert werden sollten.
Alles in allem hat mich das Buch sehr inspiriert und mir vor allem gezeigt, dass mein Eindruck von verschiedenen Unternehmen in den letzten Jahren nicht ganz falsch war. Wir beschäftigen uns und unsere Mitarbeiter viel zu viel mit unnötigem Ballast. Und wenn man etwas bewegen will, muss man genau da ansetzen. Denn jeder Mitarbeiter will arbeiten. Und zwar freiwillig ohne jeglichen Zwang. Jeder Führungskraft die ein bisschen Kritik verträgt und offen für neue Gedanken ist, empfehle ich die Lektüre des durchaus ernst gemeinten Manifests von Lars Vollmer.